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Glossar Sexualität / Thema

Prostitution

Sexuelle Dienstleistung gegen Entgelt, vorherrschend in männerrechtlichen Gesellschaften als Folge der strengen Einehe. Im Altertum war die Prostitution ein anerkanntes Gewerbe (Hetä- ren in Griechenland) bzw. eine kultische Handlung (Tempelprostitution). Das alte Testament berichtet ohne Zorn von Prostitution, der Talmud erlaubt unverheirateten Männern den Be- such einer Prostituierten wegen geschlechtlichen Notstands, verlangt aber Diskretion: "So

gehe er nach einem Orte, wo man ihn nicht kennt, kleide sich schwarz, umhülle sich schwarz und folge dem Triebe seines Herzens, nur entweihe er den Gottesnamen nicht öffentlich." Während das frühmittelalterliche Christentum vergeblich versuchte, die Prostitution auszurot- ten, war sie in Asien bis vor wenigen Jahrzehnten durchaus achtbar, in Europa seit dem 13. Jh. eine Art Zunft unter Aufsicht der Obrigkeit. In der Aristokratie gewannen Prostituierte als Kurtisanen (Italien) oder Mätressen (Frankreich) seit der Renaissance wieder Anerkennung. Mit dem Entstehen des Bürgertums wird die Scheinheiligkeit zur Richtschnur im Umgang mit Prostituierten. Bis Ende des 19. Jh. herrscht die Meinung vor, die Bereitschaft zur Prostitution sei angeboren, Prostitution sei generativer Wahnsinn und beruhe auf chemischen und biologi- schen Veränderungen des Erbgutes. Verkommener als die Prostituierte sei nur noch ihr Zuhäl- ter, der sie zu dieser angeblich angeborenen, zugleich aber dem bürgerlichen Frauenbild so total widersprechenden Handlung zwinge.

Der Staat - heute noch in vielen Gebieten der USA - kriminalisierte die Prostitution, weil sie den sozialen Zweck der Sexualität - die Sicherung des Privateigentums durch Vererbung - nicht erfüllt. Rühe sah in der Prostitution das soziale Gegenstück zur Ehe und im Verhältnis Zuhälter - Dirne die Umkehrung der bürgerlichen Ehe: "So ist die Prostituierte die verkörperte Opposition gegen den überständigen und sinnlos gewordenen Kodex der bürgerlichen Sexual- und Ehemoral, die wandelnde Auflehnung gegen die bürgerliche Ordnung überhaupt." Sperrgebietsregelungen sollen das Ärgernis Prostitution unsichtbar machen und die Freier schützen, wie das "Hamburger Reglement über die erleichterte sittenpolizeiliche Aufsicht" von 1909 zeigt. Es verbot Prostituierten nicht nur das Betreten der Reeperbahn, wo sie noch heute nicht stehen dürfen, sondern auch das Betreten der Fremdenlogen, Parkettlogen und Sperrsitze im Hamburger Operettentheater, aller Museen, der Zirkuslogen, vor allem aber die Teilnahme an den Veranstaltungen des feinen Allgemeinen Alsterclubs, insbesondere an des- sen Regatten.

Im Nationalsozialismus betrieb Deutschland staatliche Bordelle für Zwangsarbeiter und Häft- linge, in der Bundesrepublik bemühen sich die Finanzbehörden, am Lohn der Unzucht betei- ligt zu werden, ohne den Prostituierten die Gewerbefreiheit zu geben.

Permanenter Link Prostitution - Erstellungsdatum 2020-03-19


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